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Ich denke, also bin ich. Immerhin. Aber mit meinen Gedanken bin ich allein, eine endlose Wiederholung im Spiegelkabinett meines Kopfes. Ich will einen neuronalen Laser bauen, durch dessen Loch mein Ich entweichen kann, will aus diesem selbstreferentiellen Sein ins wahre Sein herauskommen. Um Schluss zu machen mit Reflexionen, Rechtfertigungen, Urteilen, Erwägungen, die am Ende zu nichts führen.

Könnte ein orgiastischer Körper zum Laser des Seins werden, so wie damals im Summer of Love? Ich lasse mich fallen, taumele in Vibrationen, gerate in Raserei, vor und zurück, und immer weiter, es gibt kein Halten mehr, dann zündet der Laser, ich feuere, ein kosmischer Glanz durchflutet mich und reißt an den Wänden des Spiegelkabinetts. Leer sinke ich dahin, aber der Glanz verblasst, das Spiegelkabinett steht noch, die Gedanken kehren zurück und bevölkern mich wieder. Nicht schlecht, aber das war es noch nicht.

Angefixt laufe ich durch die Stadt und wäge die Wucht des Seins aus gierigen Augen und Leibern, die alle Descartes Lügen strafen wollen, die ultimative Transzendenz suchen, den Rausch der Körper. Körper, die sich entblößen, die sich einander öffnen, die sich den Verstand rauben können, dessen sie so überdrüssig sind, auf dass sie sich verlieren. Es scheint ganz einfach.

Doch je genauer ich hinschaue, desto mehr Unstimmigkeiten springen mir ins Auge. Nein, nicht die bigotte Moral von einst, die keinen mehr schert, sie ist vor langer Zeit fortgerissen worden. Es sind Facetten der Kühle und der Berechnung, subtil zuerst, ich trete ein wenig zurück, das Bild wird größer, der Basar kommt wieder zum Vorschein, ja, wo vorher die Moral in den Köpfen nistete, ist nun der Kapitalismus eingedrungen. Mach was aus dir, sei sexy, tausch dich, aber bloß nicht unter Wert.

Die große Inwertsetzung der Körper flimmert 24 Stunden auf allen Kanälen, der Summer of Love ist zum Themenpark umgebaut worden, in dem alles erhältlich ist, und irgendwo bieten sie sogar ein Produkt an, auf dem steht:

Ich ficke, also bin ich®.

              

Aus: ALLES AUF NULL: Gebrauchsanweisung für die Wirklichkeit. Edition Nautilus 2011. ISBN: 978-3894017477

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