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Im flirrenden Durcheinander des Basars nehme ich andere Stimmen wahr, ein wütendes Zischen hinten links, aber ich kann durch all die Köpfe um mich herum nicht sehen, wer es ist, verstehe nur Fetzen. Aus der Mitte kommen Stimmen, die mich klarer erreichen, wir müssen den Basar retten, bevor er zusammenbricht, höre ich jemanden sagen, sofort, stimmt eine andere zu, so geht es nicht weiter, dritte Stimme, wir können nicht zulassen, dass sie alles kaputtmachen, vierte Stimme, nein, ein ganzer Chor, irgendwo da vorne. Von wem reden die?

Wir kaufen ihnen ihre Stände ab, die sie überall dazwischen quetschen, geht es weiter, dann sollen sie gehen, genau, unter den Pfeilern ist kein Platz für sie, nein, wieder der Chor, sie sollen ihn räumen, sie sind zu spät gekommen.

In der Mitte braut sich etwas zusammen.

Die Weltretter formieren sich, sie haben nachgerechnet, dass wir uns unseren Umgang mit dieser Welt nicht mehr leisten können, ab jetzt muss rationiert werden, die Treibhausgase, die Urwälder, die Äcker. Wir müssen Opfer bringen, sagen sie, weniger verbrauchen. Wir alle.

Aber dieses "wir alle" hat einen verstörenden Unterton, höre ich da eine Drohung heraus?

Eine Drohung an alle, die über die Stränge schlagen, dass die Überwachung im Namen der Umwelt sie überführen wird? Eine Drohung an alle, die auch endlich die Früchte der modernen Zivilisation genießen wollen, die wir im Norden so lange vor ihren Augen in uns reingestopft haben? Ihr seid zu spät gekommen, wird es heißen, ihr könnt mit euren Ländern nicht mehr machen, was ihr wollt.

Unter den Chor in der Mitte des Basars mischt sich ein Nachhall aus Ehrlichs "Population Bomb", 6,5 Milliarden Menschen sind doch jetzt schon zu viele. Was, wenn es zur Abrechnung kommt, wird für die Weltretter schwerer wiegen, die Würde eines jeden oder die der abstrakten Menschheit?

Die Menschenwürde ist das schwarze Loch der Geschichte.

              

Aus: ALLES AUF NULL: Gebrauchsanweisung für die Wirklichkeit. Edition Nautilus 2011. ISBN: 978-3894017477

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