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The inner space is more important than the outer space, sagte Justus Aardvark in einer lange zurückliegenden Nacht. Mir fielen die Hare-Krishna-Jünger ein, die ich als Kind in der Stadt gesehen hatte. Sie hüpften mit Tambourinen über den Bürgersteig, hatten am kahlen Hinterkopf einen Zopf. Lächelten. Wallende Kleider.

Lange her. Heute saufen alle Karma-Cola.

Karma-Cola war ein Buch von Gita Mehta, das ich in Indien kaufte. Als ich dort ankam, in der Hoffnung, irgendwelche neuen Konzepte zu finden, waren sie längst in Kartons verpackt, die sich prächtig verkauften. Der Urton im Six-Pack. Wieder eine Illusion weniger.

Der Inner Space war das letzte Territorium, das der Kapitalismus erschlossen hat. Die Vermessung ist jetzt in vollem Gange. Claims werden abgesteckt, die ersten Parzellen developed, begradigt und auf Rendite getrimmt.

Aber Karma Cola ist erst der Anfang, so wie einst Baumwolle in den Südstaaten. Agrarisch-primitiv. Als nächstes kommen Maschinen, die mit wohlwollender Präzision unsere Gedanken und Träume verarbeiten sollen. Dann werden sie optimiert. Neurocomputing.

Du lädst dir phantastische Welten über ein sauberes Interface in dein Hirn runter, in denen du der Held bist. Programmiertes Glück. Wenn das Konto leer ist, rutschst du ins Gedankenprekariat ab, weil du das Denken, das Hineinhorchen verlernt hast. Nur verklebte Synapsen. Nichts geht mehr.

Der Inner Space wird den Konzernen gehören, so wie er im Mittelalter den Popen gehörte.

Vielleicht doch wenigstens in den Outer Space funken, um die Anderen zu finden? Die, die uns retten könnten. Ich trete ans Fenster und sehe keine Sterne, nur den Widerschein der Lichter an der Wolkendecke. Ich fühle mich eingeschlossen.

Die Bedrohung kommt aus dem Inner Space.

              

Aus: ALLES AUF NULL: Gebrauchsanweisung für die Wirklichkeit. Edition Nautilus 2011. ISBN: 978-3894017477

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